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Unweit der Stadt Bern tut sich ein Graben auf. Nein, nicht der Röstigraben, sondern der Sensegraben. Auch dieser trennt Welten. Hier die reformierte Bourgeoisie, dort das rechtschaffene Katholikentum. Beide Kantone strotzen vor Selbstbewusstsein, und so verwundert es nicht, dass keiner sich dem anderen unterordnen will. Der Sensegraben schuf das richtige Mass an Distanz: Schroff, unwegsam und überaus romantisch.

Hinter diesem Graben aber fliesst ebenso Milch und Honig wie auf der Bernischen Seite. Ebendies zu erkunden hat sich die Herzschlaufe Sense zur Aufgabe gemacht. Dabei wird sittsam auf beiden Seiten genippt: Auf der Bernischen wie der Freiburgischen.

Ausgangspunkt Laupen

Ausgangspunkt der Rundreise ist das pittoreske Kleinstädtchen Laupen, Bernisches Mini-Bollwerk gegen etwaige Freiburgische Übergriffe, bekannt aus dem gleichnamigen Krieg von 1339, als sich die beiden Parteien und ihre Verbündeten unfreundlich gegenüberstanden und den Sensegraben zumindest mental deutlich vertieften. Seitdem herrscht mehrheitlich Ruhe im Tal der Sense und Saane, die hier zusammenfliessen. Ein letzter Kaffee auf einer der Terrassen der Altstadt, und los geht es in Richtung Hügel.

Diese finden sich bereits dicht hinter dem Städtli, das den Übergang über die Sense bildet. Auf freiburgischem Gebiet angekommen, nestelt man sich in die grünen Landschaftszimmer hinein, die bergan führen. Mit sanftem Erstaunen erreicht man kurz danach Grenchen, das sich aber weder als solothurnisch noch als Uhrenstadt entpuppt, sondern als Weiler der Gemeinde Bösingen, der sich hier über die sanften Hügel spannt.

Man touchiert Schmitten nur am Rande und quert die SBB Hauptlinie nach Freiburg, um beim Mühletal die Hauptstrasse zu traversieren. Schade, ist die dort stehende und namensgebende Mühle so verkehrsumbraust. Denkt man sich die Strasse weg, erblüht sie in bester mittelalterlicher Pracht; ein Kunstwerk am quirligen Fluss Taverna. Wer Taverna mit Gastfreundschaft assoziiert, ist auch nicht falsch. Das an der Mühle gelegene Gasthaus Sternen bedient sowohl radelnde wie auch autofahrende Passanten.

Adieu motorisierte Welt

Man verabschiedet sich von der motorisierten Welt und sucht sich seinen Weg durch lauschige Hanglagen in Richtung Ueberstorf. Besagten Ort aber erreicht man nicht, sondern biegt in Ledeu scharf ab, wo eine idyllische Tallandschaft mit verschlafener Sägerei den Gast in ihren Zauber zieht. Hohlwege und auskragende Wurzelwerke greifen nach dem leicht verängstigten Radwanderer. Hier fühlt es sich an wie in einem der Grimmschen Märchen, Drachen und Wegelagerer inbegriffen.

Erst in Niedermuhren nimmt man wieder einen Schluck zivilisatorischer Umtriebigkeit, aber auch hier nur in Massen. Ein Restaurant lädt zur Rast und eine Käserei wirbt für ihren superben Greyerzer, den Käse, der dieser Region ihren würzigen Duft verleiht.

Immer schön der Taverna entlang

Bald findet man sie wieder, die Taverna, dieses Mal exklusiv und intim, gepaart mit einer geschwungenen Wegführung, die für erste Arien der Entzückung bei uns Velogästen sorgt. Kurz drauf wird es noch famoser. Der Seeligraben ist quasi die Doppelrahmstufe des Tavernatals, noch romantischer, noch intimer. Man schunkelt von einer Talseite zur anderen, die kaum mehr als eine Ellbogenbreite auseinander liegen. So könnte es ewig weitergehen. Tut es aber nicht. Spätestens beim Haus von Herrn Stuber erwacht man aus der Tavernaschen Romanze. Der Fluss ist verschwunden, es rauscht die Strasse. Diese umschiffen wir elegant durch den Privatgarten von erwähntem Herrn, der extra für uns ein Weglein hat anlegen lassen. Merci! Elegant umgehen wir so den Verkehr und suchen uns eine Passage über die Ebene hinweg zurück ins Unterholz.

Galterenbach oder Gottéron?

Dieses empfängt uns in Form des gurgelnden Galterenbaches, dessen Namen den Sprachkundigen auf einen nahegelegenen Eishockeyclub hinweist, der an seinen Ufern dem schwarzen Klotz hinterherjagt. Fribourg Gottéron ist ein Begriff, und der namensgebende Bach ein prominentes Stück Stadtgeschichte. Hier allerdings ist er noch klein, unbedeutend und unsportlich, dieser Galterenbach, und wir überqueren ihn lockeren Rades.

Die Lockerheit weicht, nachdem sich die Höhenlinien in ungestümer Art unseren Gefährten entgegenstellen. Eine um die andere will geknackt sein, um an Höhe zu gewinnen. Das Sensegebiet schwingt sich hier zu neuen Etagen auf, die wir mit zunehmender Panoramalust in uns aufsaugen. Bald ist die 900-Meter-Marke geknackt und der erste Höhepunkt unserer Rundreise ruft nach uns: Der Fofenhubel prangt kühn über der Landschaft und lädt zu einem Bade im grünen Panorama ein. Eine Komposition aus Hügelkaskaden bietet ein geografisches Versteckspiel. Was genau ist in der Auslegeordnung der Landschaft alles zu erkennen? Locker erspäht man die Stadt Fribourg, schon schwieriger wird es bei den drei Seen, die sich bei guter Sicht finden lassen. Erst der Chasseral ist wieder ein klarer Fall. Ohne ihn würde so mancher Hobby-Geograf mit null Punkten vom Hügel zotteln.

Bergauf

Nachdem man das Auge gefüttert hat, meldet sich der Magen. In Rechthalten findet sich glücklicherweise Abhilfe bei solchen Beschwerden. Das Dorf lehnt gelassen am erwähnten Fofenhubel und lädt zum Zwischenhalt ein. Man muss nicht gleich ein brennendes Herz haben, um hier gastronomisch auf Resonanz zu stossen. Aber etwas Herzblut ist nicht verkehrt, zumal es die letzte Rast vor dem Höhepunkt der Schlaufe ist.

Der besagte Punkt findet sich aber bald und bietet einen famosen Blickkontakt in Richtung Alpen und Voralpen. Oberhalb Plaffeien kratzt man kurz an der 1000m-Marke und geniesst den Himmel über der grünen Auslegeordnung der Voralpen. Hier spürt man den Übergang von der Gras- zur Forstkultur, von der Hügelei in die Berge hinein. Könnte man um die Ecke blicken, würde man den Schwarzsee erspähen, das touristische Kleinod der Region. Ganz ohne Zauberei kann man indes das Gantrischgebiet erkennen. Diese wunderbare Region ist ebenfalls eine Reise wert.

Bergab

Wir aber haben anderes vor und lenken unsere Stahlrösser wieder bergab, zuerst nach Brünsiried, wo fröhliche Zeitgenossen ihre Hüsli in etwas irritierender Manier in die Landschaft hineingestreut haben. Überhaupt wundert man sich über die eher unbeschwerte Art dieser Region, wo noch Platz für Individualität und Eigensinn zu herrschen scheint. So kommen sie denn auch daher, diese «Seislerinnen» und «Seisler», wie sie sich selber nennen. Einem fröhlichen Wortkontakt steht nichts im Wege, ausser vielleicht der Umstand, dass man mehrmals nachfragen muss, ehe man gänzlich verstanden hat, worum es geht. Aber das macht den Charme der Region aus, die sich den Konventionen der Angepasstheit bisher erfolgreich entzogen hat. Am Schluss versteht man sich trotz allem und ist erquickt ob so viel quirlige Lebensfreude.

Die Route nutzt kurz die Hauptstrasse, die von besagten Bewohnern in ebenso quirliger Art befahren wird und rettet sich bald darauf wieder ins Unterholz, wo es ruhiger zu und her geht. Noch einmal tut sich ein Panorama auf, dieses Mal hinüber zum Bernischen Guggershörnli, dieser grünen Pelzkappe über dem Nagelfluhhorn, von dessen Dorf und dem darin wohnenden Vreneli das traurig-schöne Volkslied erzählt. Spätestens hier, auf der romantischen Krete des Maggenbergs, tut etwas Stärkung gut, sei es in Form von frisch gefüllten Akkus für das Stahlross oder in Form von ländlichen Köstlichkeiten für den Reiter.

Verstecktes Paradies

Die Speichen surren und die Hügel rauschen an uns vorbei auf unserer Fahrt bergab zum Dorf Heitenried mit seinem Schloss. Von der Sense sieht man nichts, ausser waldige Abgründe. Sie hält sich bedeckt und wahrt ihre wilde Schönheit, die durch keine zivilisatorischen Eingriffe verhunzt wurde. Einzig die Armee hat ein paar Löcher in die Sandstseinfelsen geballert, schämt sich heute aber dafür. Inzwischen aber ist Ruhe eingetreten in der Schlucht, und wer will, kann sie zusammen mit den hier wohnenden Hasen und Füchsen sorgsam erkunden.

Unsere Fahrt führt vorbei an kleinen Bildstöcken, Wegkreuzen und Kapellen, die den kulturellen Sugo dieser katholischen Gegend markieren. Da käme das Bernische Albligen weit nüchterner daher, wäre es nicht so überaus verklärt in die Landschaft komponiert. Die Exklave diesseits der Sense liegt über dem weiten Moos, das wir mit einer genussvollen Schlaufe beehren. Wie kommen die Berner nur dazu, auf der Freiburger Seite ein Dorf zu gründen? In der Dorfbeiz Bären hat man passend zur Frage eine ganze Palette an kaltgestellten Getränken. Und auch der kleine Dorfladen hilft mit ein paar nährenden Produkten beim Philosophieren.

Zurück auf freiburgischem Gebiet wandelt man der weiten Talflanke entlang, die den Blick aufs grüne Schwarzenburgerland freigibt. Hüben wie drüben hat Gott keinen Aufwand gescheut, um das Auge zu verwöhnen, und man geniesst die radlerische Einsamkeit in vollen Zügen.

Erst jetzt kommt uns in den Sinn, dass wir die Sense noch gar nicht gesehen haben. Dieses Defizit zu tilgen stürzen wir uns in die Tiefe, um nach einer verschlungenen Abfahrt bei der Riedernbrücke auf gesuchtes Gewässer zu stossen. Die Fachwerkbrücke bildet die Kantonsgrenze und trägt uns sorgsam auf die Bernische Seite hinüber, wo wir von einem wunderbaren Uferweg empfangen werden, dem wir nun folgen dürfen.

Spielt die Sonne ausrechend mit, kann man nun die Badehosen hervorkramen und einen Sprung ins kühle Wasser wagen, wobei «Sprung» bei diesen Wassertiefen literarisch zu verstehen ist. Trotzdem ist die Sense eine herrliche Erfrischung, nicht zuletzt durch ihre gurgelnden Stromschnellen, in denen man sich von ungestümen Wasserwirbeln massieren lassen kann.

Reich beschert

Die letzten Kilometer zurück nach Laupen sind ein Genuss und lassen die Beine etwas entspannen, was nach fast 70 Kilometern trotz Elektrounterstützung gerne angenommen wird. Man spürt in sich den Nachhall der Landschaftsfülle, den Reichtum dieser Gegend, den man bisher vielleicht gar nie richtig zur Kenntnis genommen hat. Einmal mehr geniesst man die Zauberkraft des Velos und seiner Geheimrouten: Aus einem kleinen Stück Schweiz wird ein Universum, durch das man sich einen ganzen Tag lang tragen lassen kann, genährt durch eine kulturell üppige Humusschicht, wie sie fast nur die Schweiz zu bieten hat.

Gut vorbereitet die Herzschlaufe Sense entdecken

Routenführer & Karte

Auf der Website der Herzroute finden sie die Karte, können Sie den Routenführer bestellen und andere spannende Velotouren entdecken.

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